Gedächtnisprobleme im Alter? Jetzt Studienteilnehmer:in werden!


Unbezahlte Kooperation mit der Charité Berlin Universitätsmedizin und dem Zentrum für Medizinische Versorgungsforschung des Universitätsklinikums Erlangen

„Mein Gehirn ist ein Sieb“ – Wenn Gedächtnisprobleme einsetzen

Herr M. ist besorgt. Seit einiger Zeit beobachtet er an sich Probleme mit dem Gedächtnis. Er vergisst wichtige Telefonnummern oder verlegt seine Geldbörse. Termine, die er sich früher ohne Probleme merken konnte, muss er sich nun notieren. Es fällt ihm zusehends schwerer, sich auf einen Film zu konzentrieren, da er immer wieder den roten Faden der Geschichte verliert. Komplizierte Anleitungen überfordern Herrn M. inzwischen, aufwändige Rezepte meidet er und kocht nun lieber einfache Speisen. Als die Zweifel immer größer werden, lässt er die Gedächtnisprobleme abklären. Nach einigen Gesprächen und Untersuchungen steht die Diagnose fest: Herr M. leidet an einer leichten kognitiven Beeinträchtigung. 

Leichte kognitive Beeinträchtigung: Was heißt das überhaupt? 

Der Fachbegriff „kognitiv“ bezeichnet alle Bereiche, die das Denken betreffen. Eine leichte kognitive Beeinträchtigung kann also grob mit Schwierigkeiten in der Gedächtnis- und Konzentrationsleistung übersetzt werden. 

Auch in der Wissenschaft ist die Definition nicht ganz einfach, da diese „Abweichung vom Normalen“ erst seit wenigen Jahren genauer erforscht wird. Die Fachliteratur erklär das so: 

Bei Menschen mit einer leichten kognitiven Störung nimmt mindestens eine Leistung, die mit dem Gehirn zu tun hat, leicht ab. Häufig verschlechtern sich besonders das Gedächtnis und die Lernfähigkeit. Aber auch die Aufmerksamkeit, die Sprache, die Steuerung des Verhaltens, die körperlichen Bewegungen oder das soziale Verhalten können betroffen sein. Wichtig ist, dass diese Veränderungen nicht durch das Alter oder Vorerkrankungen erklärt werden können. Für eine Diagnose müssen die Verschlechterungen von den Betroffenen selbst oder Angehörigen bemerkt und durch Ärzt*innen oder Psycholog*innen bestätigt werden.

Insgesamt führen die beschriebenen Probleme nicht dazu, dass die Betroffenen ihr tägliches Leben nicht mehr allein bewältigen können. Es kann jedoch meist so, dass die Betroffenen mehr Zeit und Energie für die Bewältigung des Alltags investieren müssen. Deshalb ist die leichte kognitive Beeinträchtigung auch nicht mit einer Demenz zu verwechseln: Betroffene mit Demenz brauchen viel mehr Hilfe bei der Bewältigung ihres Alltags. Sie sind nicht mehr selbstständig. 

Zusätzlich zur Demenz muss die leichte kognitive Beeinträchtigung noch von anderen psychischen Erkrankungen abgegrenzt werden, insbesondere von der Depression. Auch nach schweren körperlichen Erkrankungen oder nach einer Narkose kann es zu Konzentrations- oder Gedächtnis-Schwierigkeiten kommen. Diese nehmen jedoch in der Regel nach einiger Zeit wieder ab und geben deshalb anfangs erst einmal keinen Grund zur Sorge. 

Gedächtnisprobleme: Wann muss ich aktiv werden?

Gedächtnisprobleme brainfit nutrition
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Sind Sie von Gedächtnisproblemen betroffen? 

Gedächtnisprobleme haben also oft unterschiedliche Ursachen und können auch wieder verschwinden. Wie können Sie also wissen, ob Ihr Gedächtnis dauerhaft beeinträchtigt ist?  Dafür empfiehlt sich die Abklärung in einer sogenannten Gedächtnissprechstunde, die es in ganz Deutschland gibt. 

Für eine erste Übersicht können Sie sich auch folgende Fragen stellen, oder noch besser, Sie lassen diese Fragen eine Ihnen nahestehende Person beantworten: 

Im Vergleich zu vor zwei Jahren kann ich …

… mich schlechter an Dinge erinnern, die Familienmitglieder und Freunde betreffen. 

… mich schlechter an vor kurzem stattgefundene Ereignisse erinnern. 

… mich schlechter an vor einigen Tagen stattgefundene Unterhaltungen erinnern. 

…  weniger gut das genaue heutige Datum nennen. 

… schlechter Sachen wiederfinden, die an einem anderen Ort als üblich aufbewahrt werden. 

… neue Dinge im Allgemeinen schlechter lernen. 

… finanzielle Dinge schlechter regeln (z.B. Überweisungen tätigen, Bankgeschäfte regeln, …)  

Wenn Sie mindestens dreimal mit „ja“ antworteten, könnten Sie unter einer leichten kognitiven Beeinträchtigung leiden. Doch was bedeutet dies nun für Sie? 

Warum Sie jetzt handeln sollten! 

Die Wahrscheinlichkeit, an einer leichten kognitiven Beeinträchtigung zu leiden, steigt mit dem Alter. In internationalen Studien wurde festgestellt, dass etwa jede*r Zehnte der über 60-Jährigen Anzeichen einer leichten kognitiven Beeinträchtigung zeigen. Für diese Menschen besteht ein deutlich höheres Risiko innerhalb eines Jahres an Demenz zu erkranken, im Vergleich zu gesunden über 60-Jährigen.  Mit Blick auf den langfristigen Verlauf ist die Situation noch kritischer: Im Verlauf von drei Jahren entwickelt sich bei fast jeder zweiten Personen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung eine Demenz g. Dies bedeutet, über die Zeit werden die Probleme immer gravierender, den Alltag zu regeln wird deutlich schwieriger. 

Wenn Sie an sich die ersten Gedächtnisschwierigkeiten merken, ist es also Zeit, aktiv zu werden. Derzeit gibt es noch keine gesicherten Behandlungsmöglichkeiten für eine leichte kognitive Beeinträchtigungen. Die bisherige Forschung zeigt jedoch: Eine möglichst frühzeitige Änderung des Lebensstils kann Vorbeugen und den Verlauf günstig beeinflussen! Das Entstehen einer Demenz kann verhindert oder zumindest verzögert werden. 

Behandlung von Risikofaktoren für Gedächtnisprobleme

Körperliche und psychische Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes mellitus, Herzerkrankungen, Schädel-Hirn-Traumata (z.B. Gehirnerschütterung), Depressionen oder Angststörungen können das Risiko für eine leichte kognitive Beeinträchtigung und eine Demenz erhöhen. Eine erfolgreiche Behandlung dieser Risikofaktoren kann Ihnen also helfen, für eine längere Zeit geistig gesund zu bleiben. 

Fit im Körper…

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Es ist kein Geheimnis, dass Körper und Geist zusammenarbeiten. Auch im Kampf gegen leichte kognitive Beeinträchtigungen und Demenz gilt: Ein gesunder Körper hilft! Versuchen Sie daher, sich regelmäßig zu bewegen und ein günstiges Gewicht zu halten oder wieder zu erreichen. Auch die Ernährung spielt eine bedeutende Rolle. Im Allgemeinen sollte viel Obst und Gemüse, Vollkornprodukte, Omega-3-reiche Lebensmittel, frische Gewürze und Kräuter und ausreichend kalorienarme Flüssigkeit auf dem Speiseplan stehen. So bietet diese gesunde und ballaststoffreiche Kost nicht nur einen Schutz für das Gehirn, sondern wirkt sich gleichzeitig noch positiv auf das Herz, den Cholesterinspiegel und die Gefäße aus.

… und im Kopf

Neben den Muskeln im Körper kann auch das Gehirn trainiert werden. Erlaubt ist, was Spaß macht: Bücher lesen, Schach spielen, Rätsel lösen, aber auch knifflige Spiele am PC spielen oder soziale Aktivitäten pflegen helfen, den Geist anzuregen und das Gedächtnis fit zu halten. Daneben darf aber auch die Entspannung nicht zu kurz kommen: Die Reduktion von Stress und ein erholsamer Schlaf haben sich ebenfalls als hilfreicher Schutz gegen Gedächtnisprobleme erwiesen. 

Werden Sie aktiver Teil der „Forschung gegen Demenz“ – und helfen Sie sich dabei selbst 

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Dass leichte kognitiven Beeinträchtigungen häufig in eine Demenz münden, wurde erläutert. Wissenschaftler*innen aus aller Welt arbeiten mit Hochdruck daran, wirksame Therapien zu entwickeln. Eine dieser Forschungsgruppen ist „BrainFit-Nutrition“, eine Zusammenarbeit von Teams des Universitätsklinikums Erlangen und der Charité Berlin. Die Wissenschaftler*innen haben ein neuartiges Therapiekonzept entwickelt, dass sich speziell auf zwei Maßnahmen stützt: das Training des Gedächtnisses und der Konzentration sowie die gesunde Ernährung. Mit innovativen digitalen Übungsprogrammen und wissenschaftlich fundierten Ernährungsplänen erhalten die Teilnehmenden die Möglichkeit, an der Erforschung neuer Behandlungsansätze gegen die leichte kognitive Beeinträchtigung mitzuwirken und gleichzeitig selbst davon zu profitieren. 

Gedächtnisprobleme, brainfit nutrition
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