Jeder von uns kennt es, irgendwie sehen wir auf Bildern ganz anders aus als im Spiegel. Deshalb wirken wir beinahe fremd auf uns selbst und sehen uns nicht gerne – schon gar nicht im Profil. Besonders schlimm finden die meisten Menschen auch Videoaufnahmen von sich. Doch woran liegt das? Sieht uns eine Kameralinse anders als unsere eigenen Augen oder ist es am Ende die Schuld des Fotografen?
Eines vorweg: es liegt in den meisten Fällen nicht am Fotografen – es sei denn, er begeht den kapitalen Fehler, zu weit über und unter der Augenlinie zu fotografieren. Der veränderte Winkel bewirkt nämlich, dass wir entweder gedrungen oder riesengroß aussehen. Es empfiehlt sich, immer direkt auf Höhe der Augen zu fotografieren oder höchstens minimal darüber. Die Wahl des Objektivs spielt auch eine Rolle – wird mit einer zu weiten Brennweite fotografiert (man spricht von Weitwinkel), wirkt sich das natürlich auch auf die Wahrnehmung aus. Ideal ist die Wahl eines leichten Teleobjektivs wenn es um Portraits von Einzelpersonen geht. Das ist übrigens der Grund, warum man auf Smartphone-Fotos immer GANZ anders aussieht – in iPhones ist zum Beispiel eine 28 mm Linse eingebaut – ideal für Landschaften und Gebäude – für Menschen eher ungeeignet. Hier finden sich also schon mal zwei Unterschiede in der Wahrnehmung zu unseren Augen.
Die Sache mit den Umkleiden
Eine große Rolle spielt auch das Licht. Ist dir schon mal aufgefallen, dass du in jedem Spiegel anders wirkst? Besonders fies ist der Effekt in Umkleidekabinen – in den meisten Fällen sind wir schockiert, wie unvorteilhaft wir aussehen. Das Licht kommt oft von oberhalb und wirft ungute Schatten, die Pölsterchen betonen und unsere Augen zu schwarzen Höhlen werden lassen. Dabei wäre es so einfach, den Umsatz der Läden zu maximieren: Licht um den Spiegel herum – ähnlich wie bei den Schminkspiegeln die man aus den Filmen kennt – macht schlank und lässt die Augen leuchten. Für mich besonders witzig war der Moment, als in einem Bekleidungsgeschäft das Licht im Aufzug vorteilhafter war als in der Umkleidekabine. Stell dir mal vor, wie toll es sich anfühlen würde, wenn man im Spiegel dort einfach fantastisch aussieht – wenn man z. B. Bademode anprobiert! In Fitnessstudios sind übrigens meistens gewölbte Spiegel zu finden – diese verzerren unseren Körper je nachdem wo wir stehen – den ausgestreckten Arm gegen die Ränder zu bewegen lässt den Schwindel auffliegen: das Studio will, dass wir muskulöser und schlanker aussehen – aber eigentlich macht es nur den Kontrast zum heimischen Spiegel unverhältnismäßiger und das wiederum verstärkt das Unwohlgefühl bei der morgendlichen Kleiderwahl.
Eine verkehrte Welt
Ein ganz wichtiger Aspekt, den wir nicht vergessen dürfen ist, dass wir uns im Spiegel „spiegelverkehrt“ sehen, während wir auf Fotos natürlicher gezeigt werden. Die Crux dabei ist allerdings, dass wir viel mehr an den Anblick im Spiegel gewöhnt sind. Deshalb wirkt für uns die eigentlich echte Darstellung auf Bildern fremd, sehen wir doch beim Blick in den Badezimmerspiegel immer einen nicht erklärbaren Hauch anders aus. Das liegt daran, dass kein Gesicht symmetrisch ist, die Augen sind unterschiedlich groß, der Mund links wie rechts anders. Besonders gruselig ist übrigens der Effekt, wenn man eine Gesichtshälfte auf die andere Seite spiegelt. Mach dieses Experiment – DAS ist seltsam!
Viele der Phänomene nehmen wir nicht bewusst wahr – unsere Wahrnehmung auf uns selbst ist zudem auch meistens negativ, d.h. unsere Augen huschen beim Blick auf den Spiegel sofort in die Regionen, die wir ohnehin nicht so gerne mögen – wir versteifen uns auf unsere Makel und geben dem wundervollen Ganzen keine Chance. Lernen wir Menschen neu kennen, konzentrieren wir uns dabei aber auf die Augen. (vielleicht eine Erleichterung das zu wissen, falls beim Date wieder mal ein Pickel auf der Stirn prangt) Wir sind Gewohnheitstiere: wir empfinden unser Profil auf Fotos zum Beispiel oft als schrecklich, ganz einfach, weil wir es im Spiegel nie sehen können. Ähnliches gilt auf Video – kennen wir unsere Bewegungen doch gar nicht aus der Beobachterperspektive und müssen uns erst daran gewöhnen, wie wir selbst sind und wirken.
So unwirklich es klingt: wir kennen uns eigentlich gar nicht. Menschen in unserer Umgebung sind viel mehr in der Lage uns auf Fotos einzuschätzen und zu bewerten, weil sie uns eben mit eigenen Augen kennen – ohne die Verzerrung des Spiegels. Wer sich auf Fotos schön finden möchte, muss also dazulernen, offen sein und sollte eher den Augenmerk auf die authentischen Emotionen legen, die wir dort transportieren können – denn unser Spiegelbild lächeln wir viel zu selten an, habe ich nicht Recht?
Florian Beier
ist Fotograf und Mental Coach in Einem. Mit seinem Wissen und Feingefühl bringt er jeden Menschen auf Fotos zum Strahlen. Egal ob er Gedichte schreibt, Vorträge hält oder eigene Songs textet er lässt sich dabei von der Liebe antreiben. Was er anpackt hat Herz.
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Fotocredits: Jakob Marek