Die letzten Wochen waren eine besondere Herausforderung. Seit ich erwachsen bin, konnte mir niemand vorschreiben, wohin ich gehen darf oder wen ich besuchen darf oder nicht. Plötzlich gibt es Regeln, Verbote und ein mulmiges Gefühl, wenn ich doch aus der Türe gehe. Ich kann gut verstehen, wenn Menschen Angst bekommen. Angst davor krank zu werden, Angst um ihre wichtigsten Menschen, um ihre Existenz und Angst davor, nicht mehr frei zu sein, nicht mehr selbst bestimmen zu können, wie wir unsere Zeit verbringen und mit dieser schwierigen Lage umgehen möchten. Doch ich möchte heute nicht von dieser Angst erzählen, ich möchte lieber darüber sprechen, wie wir uns aus dieser lähmenden Haltung befreien können und diese Zeit, so bedrückend sie auch sein mag, anders für uns nutzen können.
Wir haben etwas Ähnliches wie das nie selbst erlebt. Wir haben Filme gesehen, Bücher gelesen, den Erzählungen unserer Großeltern gelauscht und jetzt stecken wir selbst mittendrin. Wochen der Einschränkungen und die Gelegenheit dafür, gestärkt aus ihr hervor zu gehen. Wenn ich an mein eigenes Leben denke, so fällt mir eines ganz besonders auf: Wachstum habe ich nie in den Zeiten der großen Erfolge erlebt. Es waren die schwierigen Situationen, die mageren Jahre, in denen ich meine Talente ausgebaut, mich weiterentwickelt habe. Wäre mein Leben wie am Schnürchen gelaufen, hätte ich nie gelernt zu kämpfen und ich hätte womöglich nicht so schnell oder so klar erkannt, was mir wirklich wichtig ist. In meiner Selbstständigkeit gab es Jahre, die nicht leicht waren, die mir aber ein neues Verständnis für Erfolg geschenkt haben. Wir gehen immer davon aus, dass wir Rekorde brechen müssen, um als erfolgreich zu gelten – die Frage ist aber: Verglichen mit was?
Ist Erfolg nicht vielmehr jede Form der positiven Entwicklung aus der ganz persönlichen Situation heraus?
Wenn wir das akzeptieren und als wahr begreifen, ist es auch jetzt in diesen Wochen möglich zu wachsen und Erfolge zu verbuchen – wir bewegen uns aus dem absoluten Stillstand weiter und jeder Kunde, jeder Tag, an dem man seinen Mut gefunden hat und an dem man mit Liebe mit seiner Familie interagiert hat, ist ein großer Erfolg unter diesen Bedingungen. Warum ist das so wichtig? Unsere persönliche Motivation hängt davon ab, wie wir denken, dass wir uns gerade jetzt auswirken können. Nehmen wir als Maßstab die fetten Jahre mit vollen Auftragsbüchern und allen Möglichkeiten können wir nur deprimiert sein und vergeblich nach einem Antrieb suchen. Wir haben aber die Chance, Erfolge in das richtige Verhältnis zu setzen und uns dann weiter zu bewegen.
Dieser Gedanke ist das Gegenteil einer Ausrede. Denn genauso gut kann ich die Hände in den Schoß legen und mich selbst bemitleiden, dass sich gerade nichts bewegt. Die Krise selbst kann diese Ausrede sein. Wir haben die Wahl stattdessen in kleinen Schritten das Beste daraus zu machen und uns entlang kleinerer Erfolge zu entwickeln, um, wenn alles überstanden ist, womöglich besser dazustehen als je zuvor. Diese Definition von Erfolg ermöglicht uns erst, Fortschritte wahrzunehmen und messbar bzw. nachvollziehbar zu machen. Die Alternative hierfür ist, auf die Lücken und Unterschiede zu achten und sich wie ein Versager zu fühlen.
Für unsere persönliche Motivation ist es relevant eigene Erfolg anzuerkennen.
Nur wer seine Sichtweise darauf verändert, gibt sich selbst das Werkzeug, sich in schweren Zeiten selbst immer weiter zu motivieren. Die Fähigkeit, Erfolge zu feiern, ist ebenso wichtig wie der Ehrgeiz davor und steht dazu in Wechselwirkung. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass es eine Antriebsfeder ist, nie zufrieden zu sein und immer mehr zu wollen. Es mag am Anfang genauso wirken und sich auch oft danach anfühlen, doch ist die Rastlosigkeit auf Dauer ein negatives Denkmuster, das uns immer wieder vor Augen hält, dass wir nicht gut genug sind und nie erfolgreich sein können.
Die faire Betrachtung unseres eigenen Fortschritts ist stark davon abhängig, welches Motiv wir für die Weiterentwicklung haben. Nehmen wir uns nur ein Beispiel an anderen, vergleichen wir uns also, erleben wir oft das Gefühl von Misserfolg – wir vergleichen, das nicht zu vergleichen ist. Die Kinder von sehr erfolgreichen Eltern kennen den Druck, der auf ihnen lastet, weil alle Welt (und sie allen voran) erwartet, dass sie in diese großen Fußstapfen treten. Die Bedingungen und Veranlagungen sind immer anders und somit nicht zu vergleichen. Der Markt ist nicht derselbe in Krisenzeiten oder in Zeiten des wirtschaftlichen Wachstums, die persönliche Leistung eine andere, je nachdem ob ich gesund und vital oder gehetzt und übermüdet bin. Zu erwarten, dass wir wie andere sein können, ist ein Hamsterrad, das uns keine Wahrnehmung von Erfolg ermöglicht, weil Rekorde nicht zu brechen sind, die unter anderen Bedingungen aufgestellt wurden. Ich persönlich habe zum Vergleich die selbe Haltung wie zu Ehrgeiz, Stolz und Selbstzweifel: Sie alle können gute Lehrmeister sein – genau so lange, wie sie dir nicht im Weg stehen.
Was ich damit sagen will: Wenn du nur einen Kilometer läufst, bist du sehr viel weiter gekommen, als wenn du die Zeit auf der Couch verbracht hättest. Jeder Tag, an dem du aufstehst und dich entscheidest, als bessere Version von dir zu Bett zu gehen, ist ein Erfolg. Wenn du auf dem Weg dahin Schwierigkeiten überwindest, eigene Krisen meisterst, deinen Ängste trotzt oder gegen den Strom immer deiner Nase nach schwimmst, bist du echter Gewinner, denn in diesem Augenblick bist du über dich selbst hinausgewachsen. Diese Erfolge sind jeden Tag möglich, zu jederzeit trotz oder gerade wegen einer Krise. Besondere Zeiten erfordern besonderes Maßnehmen. Ich wünsche dir Mut und Kraft und diese Prise Inspiration, um diese Zeit zu nutzen und sie nicht nur zu überstehen. Vielleicht blickst du ja zurück in ein paar Wochen oder Monate und erkennst, dass aus dir jemand geworden ist, den nun nicht einmal eine Herausforderung wie diese aus der Bahn werfen kann.
Hier zusammengefasst meine Gedanken über Erfolg:
- Erfolg ist persönlich und in allen Lebensbereichen möglich
- Erfolg ist jede Verbesserung, ausgehend von unserem eigenen, vorherigen Stand
- Die Bewertung von Erfolg muss fair sein und die Gegebenheiten sind miteinbeziehen
- Die Wahrnehmung von Erfolg ist relevant für unsere Motivation
- Der Vergleich hemmt diese Wahrnehmung von Erfolg
- Erfolg wird der Krise gemacht
Florian Beier
ist Fotograf und Mental Coach in Einem. Mit seinem Wissen und Feingefühl bringt er jeden Menschen auf Fotos zum Strahlen. Egal ob er Gedichte schreibt, Vorträge hält oder eigene Songs textet er lässt sich dabei von der Liebe antreiben. Was er anpackt hat Herz.
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