Ich habe starke Frauen schon immer bewundert. Schon im Kindergarten habe ich nicht verstanden, warum Mädchen nicht mit den Autos spielen sollten, sondern eher in der Puppenküche ihr Revier hatten – es war wie ein ungeschriebenes Gesetz, das sogar unsere Erzieherinnen so propagierten. Als ich einmal nachfragte, hörte ich zum ersten Mal den Satz: „Mädchen machen sowas nicht!“ Diese Aussage habe bis zum heutigen Tag sehr oft gehört – aber nicht nur von Männern – auch von den Frauen selbst. Dabei scheinen sie eines noch nicht zu wissen: dass sie genauso stark sind, wenn sie es wollen.
Besonders in den letzten Jahren kocht immer wieder die Diskussion hoch: Frauenquote ja oder nein – man hört Geschichten von Sexismus am Arbeitsplatz und im Alltag und wie war das noch gleich mit dem Einkommensunterschied bei Männern und Frauen? Brauchen wir uns deshalb eigentlich zu wundern, wenn wir schon als Kinder hören, was Mädchen können und was nicht? Nur um das mal klarzustellen: in meiner Klasse und wahrscheinlich in vielen anderen Klassen in allen Jahrzehnten an diversen Schulen weltweit, waren die Mädchen immer die fleißigsten Schüler mit den besten Noten und der schönsten Handschrift, die einen Ehrgeiz an den Tag legten, den wir Jungs höchstens darin fanden, möglichst perfekt das Alphabet zu rülpsen – man verzeihe mir diese kleine Überzeichnung. Vereinfacht man das stark, bleibt übrig: Die Mädchen in meiner Klasse waren in fast allem besser als die Jungs – und das wissen Männer seit Anbeginn der Zeit und machten eine Erfindung: die Geschlechterrolle. Manifestiert sieht man dieses System in Werbeclips aus den 50er Jahren, die die Frau – freudestrahlend selbstredend – als Heimchen am Herd zeigen, die ihre Erfüllung darin finden, den Haushalt zu schmeißen und ihren Ehemann zu bekochen.
Vorsicht: Frauen am Steuer?
Heute, über 60 Jahre später sollte man denken, dass dieses Bild endgültig verschwunden ist – wir sind doch alle emanzipiert und sowieso Feministen, oder? Das wäre sehr schön – aber in Wahrheit habe ich vor einigen Wochen eine Pushnachricht aus dem letzten Jahrhundert auf mein Handy bekommen: „Eilmeldung: Saudi-Arabien erwägt, Frauen das Autofahren zu gestatten.“ Kulturelle Unterschiede hin oder her – doch da wurde mir wieder bewusst, dass wir überhaupt nicht weit gekommen sind, seit der Mensch zum ersten Mal Stöcke als Werkzeuge benutzt hat. Denn auch bei uns finden wir ein altbekanntes Etikett: „Oh, eine Frau am Steuer!“ Zugegeben: es gibt Menschen, deren Begabung woanders liegt – aber ich selbst habe schlechte Autofahrer jedes Geschlechts erlebt und dieser Ausruf der Frau am Steuer ist so selbstverständlich in unseren Hinterköpfen – wie oft habe ich schon Frauen selbst diesen Satz sagen hören und war dabei sicher, dass sie es wirklich glaubten. Wie war das noch gleich im Kindergarten mit den Autos und der Puppenküche?
Frauen überraschen
Mir scheint, als ob bloße Aufklärung nicht reicht, wenn ich in einem Businesscoaching mit einer Frau immer neue Argumente von ihr höre, warum sie dies und jenes nicht kann, obwohl es ihr größter Traum ist. Es wird mir immer bewusster, wie viel Potenzial auf der Strecke bleibt, nur weil sich Frauen derart von althergebrachten Glaubenssätzen beeinflussen lassen. Auf der anderen Seite bekommt man als Mann selten mit, wie extrem diese Diskriminierung im Alltag eigentlich passiert: ich war diese Woche zusammen mit einer guten Freundin bei einem Vortragsabend zum Thema „E-Mobilität“ der Handwerkskammer. Schon beim Betreten des Saals fiel mir auf, wie wenige Frauen unter den Zuhörern waren und kurz nachdem wir uns gesetzt hatten, hörte ich auch schon das Getuschel aus den Reihen. „Da schau her, was macht die denn her?“ „Hast du die da vorne gesehen?“ Ich konnte es nicht glauben: sollte es so eine Sensation sein, dass sich eine junge Frau für ein technisches Thema interessiert? Genervt verdrehte ich die Augen und wünschte mir wie oft in solchen Situationen einen Moment der kleinen Genugtuung, der auch kam. Als es nämlich zu Fragen an den Referenten kam, hob sie die Hand und stellte eine berechtige und intelligente Frage, die den Referenten zum ersten Mal in eine kleine Bedrängnis und zum Stottern brachte – er konnte sie nicht einmal wirklich beantworten – und alle Köpfe im Saal rauschten zu ihr, die Münder klappten auf und die Überraschung war groß. Ich grinste still in mich hinein und freut mich diebisch: sie konnten ja nicht ahnen, dass diese junge Frau schon einen Bachelor in Maschinenbau in der Tasche hatte und aufgrund ihres Doppelstudiums gerade an ihrem nächsten in Politikwissenschaften arbeitet.
Warum solltest du das nicht schaffen?
Auch heute kann ich immer noch nicht verstehen, warum Frauen manche Dinge nicht können sollen. Das ist der Grund, warum ich bei Coachings oder Businessfotoshootings dafür sorge, dass Frauen sich nicht unter Wert verkaufen. Bei einem Foto hast du die Möglichkeit mehr als ein hübsches Gesicht zu zeigen – und leider ist es so, dass Frauen ihren eigenen Wert noch mehr von ihrem Aussehen abhängig machen als Männer. Das ist das große Erbe der Generationen, in denen Mädchen, hübsch für ihren Mann hergerichtet, für den Haushalt erzogen wurden. Ein Foto kann das Potenzial zeigen, das unabhängig eines Geschlechts hinter diesen Augen schlummert, kann die Souveränität ausstrahlen, die jeder Mensch besitzt, wenn er in seinem Element schwimmt. Die große Frage lautet immer: „Warum solltest du das nicht schaffen?“ Diese Souveränität zu leben kann bedeuten, mit den Regeln zu brechen. Wenn wir das nicht lernen, können wir uns nicht weiterentwickeln.
Starke Frauen gibt es überall
Gerne wiederhole ich mich: Ich habe starke Frauen schon immer bewundert. Wenn man das große Glück hat, hauptberuflich viel mit den unterschiedlichsten Menschen zu sprechen – über ihre Träume und Ziele und über den Weg, den man zurückgelegt hat, dann kann man sehr viel für sich und seine eigenen Ängste lernen. Ich habe Frauen kennengelernt, die alleinerziehend mit zwei Kindern einen eigenen Betrieb aufgebaut haben, Frauen, die mit mit ihren Kindern nach Deutschland kamen und einfach Alles aus Nichts gemacht haben und ihre Kinder zu starken Persönlichkeiten erzogen haben, die sich und die Welt nach vorne bringen. Diese Frauen inspirieren mich, weil sie sich gegen die gängige Meinung stellen, nicht mit dem Strom schwimmen und aufstehen, wenn es darum geht, für sich einzutreten. Und was auf der Welt sollte stärker sein als das?
Falls auch du dich manchmal ertappst – ganz gleich ob du nun Mann oder Frau, jung oder alt, homo- oder heterosexuell bist, welche Religion auch immer du ausübst oder welche Hautfarbe du hast – dass du dir aufgrund einer Meinung oder eines globalen ungeschriebenen Gesetztes etwas nicht zutraust, dann denk an die starken Frauen, die du in deinem Leben kennenlernen durftest. Die Mütter, die die Säulen der Zukunft erzogen haben und ihr eigenes Leben zur Erfüllung gebracht haben, die Frauen, die Länder führen, Erfindungen machen, die alles verändern. Das sind die Geschichten, die wir unseren Kindern erzählen sollten, damit es eines Tages selbstverständlich wird: Alles ist möglich. Und es beginnt damit, was du glaubst.
photo credits: marek&beier
Florian Beier
ist Fotograf und Mental Coach in Einem. Mit seinem Wissen und Feingefühl bringt er jeden Menschen auf Fotos zum Strahlen. Egal ob er Gedichte schreibt, Vorträge hält oder eigene Songs textet er lässt sich dabei von der Liebe antreiben. Was er anpackt hat Herz.
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