Manchmal kommt es einem so vor, als würde man den puren Horror durchlaufen: der Alltag ist tröge und immer gleich, die Menschen in unserem Umfeld sind anstrengend und überhaupt findet man einfach nichts, das einen froh machen würde; alles wirkt so schwer und unbeweglich, dass man sich fragt, wieso zum Henker man sich das eigentlich antut – man stellt alles infrage und sehnt sich nach der Lauterkeit der Kindheit, dem Gefühl des ersten Tages der Sommerferien. Zum Glück sind wir Menschen nie „fertig“ und können wieder etwas lernen, das wir vielleicht vergessen haben: die Leichtigkeit.
Ich gebe zu, ich bin keine Ausnahme, mein Lernfeld wird immer wieder in Form und Ausgestaltung verändert und seit einigen Tagen beschäftige ich mich mit der Frage, wie ich – auch an harten Tagen – etwas leichter sein kann. Schaut man sich nämlich die so federartige Zeit der Kindheit an, fällt einem vor allem eines auf: wir konnten viel eher im Moment leben – ohne Deadlines, drohende Ereignisse in der Zukunft und ohne den Kampf um unsere größte Gefahr und zugleich unser größtes Begehr: das Geld. Unsere Gedanken kreisten je nach Alter um Bauklötze, Farbstifte und die Frage nach dem nächsten Eis, wir waren viel mehr in der Lage den Augenblick als möglichen Zustand anzunehmen und selbst wenn wir Angst vor etwas hatten, es lag selten in unserer Verantwortung, standen uns doch unsere Eltern bei, die dafür sorgen konnten, dass alles glatt lief. Ist dann wider Erwarten doch etwas schief gelaufen, war es mit den Tränen auf unseren Wangen getrocknet, denn Pusten half nicht nur bei eingezogenen Holzsplittern und eingequetschten Fingern. Wir konnten viel eher von dem loslassen, was uns gerade noch bewegte, während wir heute ein unangenehmes Aufeinandertreffen mit einem weniger freundlichen Zeitgenossen noch wochenlang mit uns herumschleppen.
Haben wir nicht schon vorher Probleme gelöst?
Es stimmt schon, wir sind als Erwachsene viel mehr auf uns allein gestellt, können uns nicht hinter den Pranken des Vaters oder dem Rockzipfel unserer Mutter verstecken – aber wir haben etwas anderes, das uns helfen kann, zu dem wir Vertrauen haben können und das uns sagt, dass alles gut wird: wir haben in den Jahren unseres Lebens Erfahrungen gemacht, die große Lehrmeister sind. Wir haben jeden Tag und jede Herausforderung überstanden, die wir bis dato erlebt haben – vielleicht waren da manche dabei, die es uns auch so schwer gemacht haben? Haben wir nicht auch das gelöst? In Sachen Selbstvertrauen ist das ein wahrer Brunnen an Trost und Zuversicht, aus dem wir nur schöpfen müssen. Es kann helfen, sich ein kleines Büchlein anzulegen, in dem wir eine Zeit schildern, die uns in den Knochen saß und wie wir sie überwunden haben. Mit dem Alter kommt die Weisheit, behauptet man – warum diese nicht nutzen?
Wie entsteht Leichtigkeit?
Leichtigkeit entsteht in dem Moment, der gerade in dieser Sekunde passiert. Wir machen es uns unnötig schwer, wenn wir nicht von Situationen oder Menschen loslassen können. Ärgern wir uns eine Woche über das Verhalten eines rücksichtslosen Kollegen, war nicht seine Tat das Problem, sondern unsere Leidenschaft, an diesem negativen Impuls festzuhalten. Viele Menschen leiden gerne, haben einen Hang zur Melancholie – wir suhlen uns in diesen Gefühlen, bis sie ausgetrocknet sind. Lang anhaltende Wut ist eine interessante Art der Selbstzerstörung und macht es uns schwer, wirklich in diesem Moment zu existieren. Nichts gegen das gepflegte Mit-der-Faust-auf-den-Tisch-hauen-und-dabei-mal-die-gute-Kinderstube-vergessen: manchmal müssen die Ventile eben geöffnet werden, aber dann bitte gleich so weit, dass wir darunter dann einen Strich machen können.
Jeder Tag ist ein Neuanfang
Das Tolle an unserem Leben ist doch: jeder Tag ist ein Neuanfang und wie wollen wir leicht sein, wenn wir den ganzen alten Kram mit uns herumschleppen? Wir können uns entscheiden, wie sehr uns etwas belagert hält, es kommt ganz darauf an, wie viel Raum wir der Wut, der Angst, dem Neid und der Eifersucht geben. Diese Gefühle beziehen wir nicht von außen, die haben wir uns selbst zu verdanken und ob ein Tag nun leicht oder schwer ist, liegt nicht unbedingt nur am Tag, sondern an unserer Fähigkeit, mit diesen Gefühlen umzugehen. Denn ob nun etwas Unvorhergesehenes passiert oder ob uns nun jemand mit Vollgas dreist gegen den Kahn fährt, können wir oft nicht kontrollieren – aber es ist an uns zu bestimmen, wie sehr es uns trifft.
Zurück in die kindliche Leichtigkeit
Machen wir uns nichts vor: wir haben ein tolles Leben und eigentlich keine Probleme. Wir haben zu essen, zu trinken, einen sicheren Ort um zu schlafen und sind – hoffentlich auch du – gesund. Wir haben alle Möglichkeit, uns selbst zu verwirklichen und das Beste aus uns und unseren Chancen herauszuholen, aber damit das funktioniert, brauchen wir eben jene Leichtigkeit, die wir als Kind Ende Juli gespürt haben, vor 6 Wochen Ferien und dem Gefühl, dass diesen Sommer alles möglich sein könnte. Ich übe jetzt dieses Schulterzucken und diese Freiheit, dieses Loslassen und trainiere die Leichtigkeit wie einen Muskel und wenn es in diesem Moment nicht klappt, dann im nächsten oder im dem danach. Ich werde berichten!
Florian Beier
ist Fotograf und Mental Coach in Einem. Mit seinem Wissen und Feingefühl bringt er jeden Menschen auf Fotos zum Strahlen. Egal ob er Gedichte schreibt, Vorträge hält oder eigene Songs textet er lässt sich dabei von der Liebe antreiben. Was er anpackt hat Herz.
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photo credits: marek&beier